• fantawurstwasser@feddit.org
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    29 days ago

    Um jetzt mal die kritische Kernfrage zu stellen: Wen willst du denn bei einem Genozid aus den Jahren 1904-1908 genau entschädigen? 116 Jahre nach Ende und 109 Jahre nach Ende der deutschen Kolonie gibt es schlicht und einfach keine direkten Opfer mehr und auch die Kinder der Opfergeneration dürften mittlerweile gestorben sein.

    Dazu kommt, dass wir bei den Herero und Nama über ~220.000 Personen reden. 1,1 Mrd € sind dann 5000€ pro Person bei ~4200 US-Dollarn BIP pro Kopf in Namibia. Das ist lokal eine gewaltige Summe Geld dafür, dass die Urgroßeltern oder Ur-Urgroßeltern schreckliche Dinge angetan wurden.

    • federal reverse@feddit.org
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      28 days ago

      116 Jahre nach Ende und 109 Jahre nach Ende der deutschen Kolonie gibt es schlicht und einfach keine direkten Opfer mehr und auch die Kinder der Opfergeneration dürften mittlerweile gestorben sein.

      Was es aber noch gibt, sind ziemlich direkte Nachfolgestaaten von Deutschland und der Kolonie Deutsch-Südwestafrika. Was es auch noch gibt, sind koloniale Prägungen der Machtstrukturen. (Die verbleibenden deutschstämmigen Namibianys lassen das ihre Mitmenschen im eigenen Land durchaus auch wissen.)

      5000€ pro Person bei ~4200 US-Dollarn BIP pro Kopf in Namibia

      Etwas mehr als ein durchschnittliches Jahresgehalt ist also deiner Meinung nach tendenziell zu viel Entschädigung für einen Mord?

      Zu dem Thema gibt es auch Berechnungen, die sich meist auf das verbleibende Einkommen im restlichen Leben stützen. Die US-Regierung setzt den Wert pro Leben bei 10 Mio. USD an, diese Studie kommt auf 5,7 Mio. USD, etc. Der Wert mag für Namibia niedriger ausfallen, aber 5000€ ist wirklich nicht sonderlich viel.

      • Quittenbrot@feddit.org
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        28 days ago

        Was es auch noch gibt, sind koloniale Prägungen der Machtstrukturen. (Die verbleibenden deutschstämmigen Namibianys lassen das ihre Mitmenschen im eigenen Land durchaus auch wissen.)

        Dazu sollte allerdings bedacht werden, dass das Gebiet Namibia 30 Jahre eine deutsche Kolonie war, dann 45 Jahre unter der britischen Krone, dann noch mal 30 Jahre unter der Herrschaft Südafrikas. Natürlich haben die deutschstämmigen Einwohner dort gerade während der Apartheid eine sehr dominante Stellung im Landesgeschehen einnehmen können, ich frage mich aber ernsthaft, inwieweit das jetzt etwas ist, was wir als Deutschland noch zu verantworten haben.

      • fantawurstwasser@feddit.org
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        28 days ago

        Da vermischt du aber mehrere Theman aus meiner Sicht: Zum einen ist es natürlich nicht begrüßenswert, wenn es diese koloniale Prägung im Land gibt, aber ich halte das für ein innenpolitisches Problem Namibias. Mir fällt auch keine Lösung ein, wie Deutschland als Staat jetzt auf die deutschstämmigen namibischen Staatsbürger einwirken soll ohne gleich direkt wieder des Kolonialismus bezichtigt zu werden. Auch die Machtstrukturen in Namibia selbst - wie soll da Geld von außen was helfen?

        Und wie gesagt: Ich halte einfach nichts davon, dass man Enkel, Urenkel und Ururenkel entschädigt. Wie bereits geschrieben: Irgendwo muss man da einen Cutoff machen

        • federal reverse@feddit.org
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          28 days ago

          Da vermischt du aber mehrere Theman aus meiner Sicht:

          Ja, das war tatsächlich nicht die klügste Darstellung. Wobei es natürlich sowohl innerhalb Namibias als auch in der Außenpolitik Nachwirkungen der Kolonialzeit gibt.

    • borisentiu@feddit.org
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      29 days ago

      Eine der Fragen hierzu wäre, warum nach “Kinder der Opfergeneration” eine Linie gezogen werden sollte. Übrigens haben z. B. die (auch noch lebenden) Nachkommen der deutschen Kolonialist*innen und Siedler*innen m. W. einen überdurchschnittlichen Anteil am heutigen Grundbesitz und Vermögen. Sollte Vergangenes etwa über die Zeit hinweg Wirkungen haben?

      • Melchior@feddit.org
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        28 days ago

        Namibia war auch eine südafrikanische Kolonie und die Deutschen haben durch die Apartheid als Weiße große Vorteile gehabt.

      • fantawurstwasser@feddit.org
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        28 days ago

        Die Gegenfrage lautet: Wo würdest du denn eine Grenze ziehen? Wenn Frankreich jetzt für die Verwüstungen der römischen Legionen unter Caesar im Gallischen Krieg Entschädigungen von Italien fordern würde, dann sind wir uns glaube ich einig, dass das absurd ist. Genauso, wenn Putin Gebietsansprüche mit der Kiewer Rus begründet. Aber wo würdest du deinen persönlichen Cut setzen?

        • Saleh@feddit.org
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          28 days ago

          Nicht der den du gefragt hast aber dazu folgende Gedanken:

          1. Es darf keine pauschale zeitliche oder Generationsregel geben. Sonst muss manseine Verantwortung nur lange genug aussitzen.
          2. Es muss ein sinnvoller Bezug zwischen Verantwortlichen und heutigem Staat als Entschädigungsschuldigen bestehen. Zwischen deutschem Reich und Bundesrepublik gibt es eine klar Linie. z.T. gelten noch Gesetze aus dem deutschen Reich. Die Bundesrepublik ist wirksam Rechtsnachfolger. Das ist bei der italienischen Republik und dem antiken Rom nicht der Fall. Genausowenig bei der Kiever Rus und heutigem Russland oder Ukraine.
          3. Es darf bisher keine Entschädigungsregelung getroffen worden sein, an der die Betroffenen angemessen mitwirken konnten.

          Ansonsten würde ich sagen, dass alle ab Ende des zweiten Weltkrieges nie “verjähren” sollte, weil wir ungefähr seitdem die Vorstellung haben, dass Angriffskriege zur Landeroberung und Völkermord grundsätzliche Verbrechen sind. Wenn die USA für Vietnam erst in 400 Jahren zur Verantwortung gezogen werden können, dann eben erst in 400 Jahren. Wenn es bis 2300 dauert, um Russland für die Invasion der Ukraine dranzubekommen, dann eben erst in 2300. Aussitzen darf keine “Lösungsstrategie” werden.

        • borisentiu@feddit.org
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          28 days ago

          Es gibt wohl keine perfekte Lösung und ich bin auch für die unperfekten kein Experte. Es gibt Dinge, die man nicht ungeschehen machen kann, und u. a. so etwas wie willkürliche Grenzziehungen durch Kolonialstaaten, die auch nach der Unabhängigkeitswelle praktisch nicht mehr revidierbar waren und bis heute ‘Probleme machen’.

          Ich denke das Anständigste wären offene Dialoge bzw. Polyloge darüber, wie man heute damit umgehen kann - nehme aber stark an, dass man sich aus Verhandlungssicht der jeweiligen Bundesregierung in einem engeren Korridor von etwas Symbolik, Geld und viel Absicherung gegen zukünftige Forderungen wohler fühlt. Man kann sich ja nicht immer so ausliefern wie bei Schiedgerichten nach dem Energiecharta-Vertrag…

          Neben Geld und Aufarbeitung sollte es auch um die Vermeidung von ‘neuen’ Formen der Ausbeutung gehen, bevor zB in Energiefragen munter zugegriffen wird. Das dürfte aber eher an den beiden Zivilgesellschaften hängen bleiben.